1. ''Roh'' heißt die Devise

Iwata:

Heute unterhalte ich mich mit dem Produzenten der Resident Evil-Serie1, Mr. Kawata von Capcom2. Mr. Kawata, vielen Dank, dass Sie gekommen sind. 1 Resident Evil-Serie: Das erste Spiel aus dieser Survival-Horror-Serie wurde erstmals im März 1996 veröffentlicht. Die Serie ist in Japan als die „Biohazard-Serie“ bekannt.2 Capcom Co., Ltd.: Eine Entwicklungsfirma für Videospiele. Hauptsitz: Osaka.

Kawata:

Meine Güte, bin ich aufgeregt (lacht). Vielen Dank für Ihre Einladung.

Iwata Asks
Iwata:

Das Vergnügen ist ganz meinerseits. (lacht) Ich bin sehr gespannt auf unser Gespräch. Darf ich Sie zunächst danach fragen, welche Spiele Sie für das Nintendo 3DS-System entwickeln?

Kawata:

Natürlich. Momentan arbeiten wir gerade an der Entwicklung von Resident Evil: Revelations3 und Resident Evil: The Mercenaries 3D4. Wir bei Capcom pflegen zu sagen, dass wir “zessan kaihatsuchu”, also mit großem Beifall, entwickeln. (lacht) 3 Resident Evil: Revelations: Ein Survival-Horror-Spiel, das zurzeit für das Nintendo 3DS-System entwickelt wird. In Japan ist es als „Biohazard: Revelations“ bekannt.4 Resident Evil: The Mercenaries 3D: Ein Survival-Action-Spiel für das Nintendo 3DS-System. In Japan ist es als „Biohazard: The Mercenaries 3D“ bekannt. Die Veröffentlichung ist in Japan für den 2. Juni 2011 und in Europa für den 1. Juli 2011 termininiert.

Iwata:

Ich kann mir vorstellen, dass diese zwei Titel der Resident Evil-Serie von den Fans schon freudig erwartet werden. Ich habe gehört, dass Sie schon viel Erfahrung mit der Entwicklung von Spielen für Heimkonsolen haben. Welcher Art sind Ihre Erfahrungen?

Kawata:

Das, was man mit Videospielen auszudrücken vermag, hat sich in den letzten Jahren ganz immens entwickelt. Ich bin von Haus aus Designer. Daher interessierte ich mich für die Fortschritte, die im Bereich der Grafik bei Videospielen erzielt wurden. Hier zeigte sich eine große Vielfalt, mit der sich der Spielinhalt darstellen lässt. Ursprünglich interessierte ich mich für Spiele, bei denen es um niedliche Charaktere ging, wie zum Beispiel die Mega Man Legends-Serie5. Ich fühlte mich aber auch zum Horror-Genre hingezogen. Kürzlich war ich an der Entwicklung von Spielen für Heimkonsolen wie Resident Evil 4: Wii Edition6 und der Chronicles-Serie7 beteiligt. 5 Mega Man Legends-Serie: Eine Serie der Mega Man-Franchise. Sie ist auch als die „Rockman Dash-Serie“ bekannt, deren erstes Spiel 1997 in Japan veröffentlicht wurde.6 Resident Evil 4: Wii Edition: Ein Survival-Horror-Spiel, das in Japan im Mai 2007 für die Wii-Konsole veröffentlicht wurde. In Japan ist es als „Biohazard 4: Wii Edition“ bekannt.7 Resident Evil: The Umbrella Chronicles und Resident Evil: The Darkside Chronicles: Ego-Shooter-Spiele zur Verwendung mit dem Wii Zapper, die für die Wii-Konsole veröffentlicht wurden. In Japan wurden sie jeweils im November 2007 als „Biohazard: The Umbrella Chronicles“ und im Januar 2010 als „Biohazard: The Darkside Chronicles“ veröffentlicht.

Iwata:

Sie waren an den Resident Evil-Spielen beteiligt, die Mr. (Shinji) Mikami8 für den Nintendo GameCube entwickelt hat, nicht wahr? 8 Shinji Mikami: Ein früherer Spiele-Designer bei Capcom Co., Ltd. Er gilt als Schöpfer von Resident Evil (in Japan unter dem Namen „Biohazard“ bekannt).

Kawata:

Unmittelbar war ich nur an dem ersten Resident Evil-Titel für den Nintendo GameCube beteiligt9. Ich gehörte nicht zu dem Team, das sich direkt mit Resident Evil Zero10 und Resident Evil 411 beschäftigte. Als wir Resident Evil für den Nintendo GameCube überarbeiteten, war ich als Designer für die Hintergründe verantwortlich. Mr. (Shigeru) Miyamoto besuchte regelmäßig die Entwicklungsabteilung. Das gab mir das Gefühl, wirklich mit Nintendo zusammenzuarbeiten. Ich wollte so viel wie nur irgend möglich aus dem Nintendo GameCube herausholen. Also habe ich es mit den Grafiken bis zum Äußersten getrieben. Das war schon eine Herausforderung. Aber ich denke, es ist mir gelungen, so den Stil von Resident Evil mitzuprägen. 9 Resident Evil für die Nintendo GameCube-Konsole: Ein Survival-Horror-Spiel für die Nintendo GameCube-Konsole. Hierbei handelte es sich um das erste Resident Evil-Spiel, das für diese Konsole veröffentlicht wurde. In Japan erschien das Spiel im März 2002 unter dem Namen „Biohazard“.10 Resident Evil Zero: Ein Spiel, das für die Nintendo GameCube-Konsole veröffentlicht wurde. In Japan wurde es im November 2002 unter dem Namen „Biohazard Zero“ veröffentlicht.11 Resident Evil 4: Ein Spiel, das für die Nintendo GameCube-Konsole veröffentlicht wurde. In Japan wurde es im Januar 2005 unter dem Namen „Biohazard 4“ veröffentlicht.

Iwata:

Das erste Mal, als ich Resident Evil sah, war ich überrascht, was man mit Heimkonsolen alles machen konnte. Das war schon sehr beeindruckend.

Kawata:

Zu dieser Zeit lautete die Devise „roh“. Uns war jedes Mittel recht, das die Spiele im Gegensatz zu fotorealistisch roh erscheinen ließ.

Iwata:

Wie stellen Sie es an, dass ein Spiel “roh” wirkt? Dafür reicht es wohl nicht aus, es einfach nur realistisch aussehen zu lassen, oder?

Iwata Asks
Kawata:

Ich denke, diese Rohheit zeigt sich, wenn die Handlungen der Spieler irgendeine Wirkung haben. Dann hat man das Gefühl, einem bestimmten Ort eine gewisse Atmosphäre zu verleihen.

Iwata:

Damals bewegten sich die Spielcharaktere vor einem unbeweglichen Hintergrund. Ich hatte das Gefühl, Sie wollten mit der Version für den Nintendo GameCube herausfinden, wie sich die Spielwelt bei starken Bewegungen des Hintergrunds verändert.

Kawata:

Das stimmt. Es sind insbesondere die animierten Teile, die das Auge fesseln. Ich denke, wir haben diese Rohheit des Spiels gut mithilfe von Horror-Elementen wie flackernden Lichtern und subtilen Bewegungen des Gegners erzeugt.

Iwata:

Meines Erachtens ist es von ausschlaggebender Bedeutung, ob ein Spiel “künstlich” oder “roh” wirkt, wenn man bei Videospielen das Gefühl der Angst erzeugen möchte. Diese Fragen haben die Serie seit dem ersten Resident Evil-Titel geprägt.

Kawata:

Genau. Resident Evil ist ein wichtiger Titel für Capcom. Daher stehe ich immer unter Druck. Und manchmal bekommen auch meine Co-Entwickler diesen Druck zu spüren. (lacht)

Iwata:

Wie machen Sie das?

Kawata:

Ich stachele sie ein bisschen an und sage: „Wenn Sie sich nicht verbessern, werden Ihnen das die Fans niemals verzeihen!“ (lacht)

Iwata:

Also, müssen sich die Entwickler tatsächlich vorstellen, wie die Spieler das spielen, was sie entwickelt haben. Hierdurch erzeugen Sie positiven Druck, der die Designer ihr Potential voll ausschöpfen lässt.

Kawata:

Genau. Wenn Sie aufgrund Ihrer Erfahrung sagen: „Das kann ich. Also beschränke ich mich allein darauf“, dann durchschauen das die Leute heutzutage sofort. Dann haben sie nicht das Gefühl, Sie hätten wirklich Ihr Bestes gegeben. Sein Bestes zu geben, bedeutet nicht, nur im Rahmen seiner Fähigkeiten zu arbeiten. Es bedeutet, darüber hinauszugehen. Sie müssen über Ihre Grenzen hinausgehen. Und wenn Sie das tun, können Sie sich noch höhere Ziele setzen. Ich finde das ganz wichtig. Dieses Mal ging es mir bei Resident Evil: Revelations für das Nintendo 3DS-System darum, ein Spiel wie für eine Heimkonsole und nicht für einen Handheld zu machen. Ich wollte herausfinden, ob es mir gelingt, das Spiel auf den anspruchsvollen Spezifikationen von Heimkonsolen und nicht auf den Spezifikationen eines Handhelds aufzubauen.

Iwata Asks
Iwata:

Hatten Sie das von Anfang an vor?

Kawata:

Ja. Ich dachte, wir würden sonst nicht die Qualität erreichen, die für uns ja ein Teil der Resident Evil-Marke ist. Es war ein harter Weg, aber jetzt habe ich das Gefühl, dass wir gute Arbeit geleistet haben und das erreicht haben, was wir uns ursprünglich vorgenommen haben.

Iwata:

Als die Entwickler von Nintendo zum ersten Mal Resident Evil: Revelations sahen, waren sie überrascht. Es unterschied sich so ganz von einem Spiel für ein Handheld-System.

Kawata:

Und jetzt haben wir uns sogar ein noch höheres Ziel gesetzt. Ich habe den Eindruck, wir stoßen jetzt an die Grenzen des Nintendo 3DS-Systems. Auf jeden Fall ist das Erlebnis von brillenlosem 3D allein schon großartig. Die Art und Weise, mit der sich die Spielfigur Jill bewegt, ist unglaublich beeindruckend.

Iwata:

Sieht sie in 3D noch hinreißender aus?

Kawata:

Ja. Ich glaube, ihre dreidimensionale Erscheinung lässt sie sogar noch attraktiver und wirklich echt erscheinen. Auf der anderen Seite erscheinen bei Resident Evil auch die Gegner in 3D. Sie sehen noch grotesker aus. Da möchte man sich jetzt ganz besonders von ihnen fernhalten. (lacht)

Iwata:

Dieser Kontrast ist Teil der Spielwelt.

Kawata:

Ja. Die Resident Evil-Serie betont den Kontrast zwischen hell und dunkel.

Iwata:

Wenn man eine furchterregende Welt mit Licht und Schatten darstellt, dann ist es ganz besonders aufregend, wenn man nicht genau weiß, ob da nicht plötzlich etwas aus der Dunkelheit kommt.

Kawata:

Wo wir gerade beim Schlüsselbegriff der Kontraste sind: So geht es bei dem Design von Resident Evil nicht nur um Licht und Schatten, sondern auch um den Gegensatz zwischen schönen Spielcharakteren und hässlichen Gegnern!