5. Furcht und Faszination

Iwata:

Was war bei der Entwicklung dieses "Resident Evil"-Spiels denn absolut unverzichtbar?

Nakanishi:

Bei den Präsentationen haben wir die Fans immer probespielen lassen und ihre Rückmeldungen waren immer äußerst hilfreich. Das war ein sehr wichtiges Element.

Iwata:

Über das Feedback der Fans muss man natürlich äußerst froh sein, aber es kann einem schon auch Sorgen machen und dazu führen, dass man vom Weg abkommt. Ging es Ihnen auch so?

Nakanishi:

Ja, aber Mr. Hori hat ja eben Spukhäuser erwähnt, und das ist genau der Grund, warum wir die Spieler haben probespielen lassen. Während der Entwicklung habe ich ein Buch von Hirofumi Gomi14 gelesen, der Spukhäuser produziert. Und auch in den Spukhäusern werden je nach den Reaktionen der Besucher eben Veränderungen vorgenommen. Das ist genau wie bei der Arbeit an den "Resident Evil"-Spielen. Wir sehen uns die Reaktionen der Spieler an und sagen z. B.: "Der Gegner sollte eine halbe Sekunde später auftauchen" und machen dann entsprechende Änderungen. 14 Hirofumi Gomi: Ein Spukhaus-Produzent aus Japan.

Iwata Asks
Iwata:

Es ist also wahnsinnig aufschlussreich, direkt zu sehen, wie die Leute auf das Spiel reagieren.

Nakanishi:

Ganz genau. Wenn man an Horrorspielen arbeitet, stumpft man etwas ab und verliert manchmal ein wenig den Bezug dazu, was wirklich gruselig ist. Wir arbeiten sehr logisch an den Spielen und denken dann: "Das muss einfach gruselig sein." Aber weil wir so logisch vorgehen, sind die Live-Präsentationen sehr wichtig, um die Wirkung des Ganzen zu testen.

Iwata:

Wenn die Spieler überrascht sind, kann man sich zurücklehnen und ist zufrieden.

Nakanishi:

Ja. Aber manchmal dachten wir auch: "Hm? Das ist also gruselig?" Deshalb testen wir natürlich auch intern, und wenn ich sehe, wie jemand mit ganz schwitzigen Händen spielt, denke ich immer: "Aha, da gruselt sich jemand ganz schön!" (lacht) Aber Furcht ist ja eine schwierige Emotion. "Resident Evil" überrascht die Spieler, so ähnlich wie ein Spukhaus, aber obwohl alle das gleiche gezeigt bekommen, gruselt es manche Leute und manche nicht.

Iwata:

Ich habe den Eindruck, dass es bei der Wahrnehmung von Furcht noch größere persönliche Unterschiede gibt als bei Humor und Lachen. Manche geben sich mutig und tun so, als ob sie sich nicht fürchten, und andere zeigen ihre Angst ganz offen. Es gibt da ganz unterschiedliche Muster, das ist also ein sehr komplexer Bereich.

Nakanishi:

Ja. Manche Leute fürchten sich vor psychologischen Dingen, manche lassen sich durch Schockeffekte erschrecken, und manche mögen es blutig. Bei Horror gibt es also auch im Vergleich zum Humor noch viel Platz für neue Erkenntnisse.

Suzuki:

Was die Musik betrifft, benutzen wir z. B. manchmal heitere Musik in sehr düsteren Szenen, und dieser Gegensatz löst ein unheimliches Gefühl aus.

Iwata Asks
Iwata:

Wenn alles normalerweise zusammenpasst und dann auf einmal ein Ungleichgewicht entsteht, fühlen wir uns verstört. Was gibt es denn für Besonderheiten bezüglich der Wirkung eines Horrorspiels auf einer tragbaren Konsole?

Takenaka:

Die meisten Leute lachen über ähnliche Sachen, aber Horror ist eine individuelle und ganz persönliche Sache, denke ich. Und weil man ganz in den Bann gezogen wird, wenn man auf den kleinen Bildschirm des tragbaren Geräts starrt, eignet sich dieses Medium sehr gut für Horror.

Suzuki:

Und die 3D-Darstellung ohne spezielle Brille ist auch toll. Man kann sich ohne Ablenkung auf die Wirkung konzentrieren.

Kawata:

Das Gefühl der Erkundung ist dabei einfach intensiver. Wenn man sich z. B. fragt, was in einer Höhle auf einen wartet, ist das Gefühl der Faszination, immer tiefer einzutauchen, auf dem Nintendo 3DS-System ganz besonders stark. Das eignet sich einfach perfekt für die geschlossene Umgebung auf einem Schiff.

Nakanishi:

Zu den wichtigsten Gründen, warum wir uns nach der E3 auf den Horror konzentrieren wollten, gehörten auf jeden Fall das Eintauchen durch die 3D-Darstellung und die Tatsache, dass es um eine tragbare Konsole ging. Wir dachten, dass man so direkt in Kontakt mit der Spielwelt kommt und wir den Spielern wirklich das Gefühl geben können, dass hinter der nächsten Ecke etwas auf sie lauert. Wir haben uns dazu entschlossen, die Geschichte auf einem Schiff stattfinden zu lassen, um das klaustrophobische Gefühl einer abgegrenzten Umgebung noch zu verstärken.

Kawata:

Aber es könnte langweilig werden, wenn man nur das Innere eines Schiffes sehen würde, also haben wir auch für Abwechslung gesorgt, und jetzt gibt es z. B. schneebedeckte Berge und Küstenabschnitte.

Nakanishi:

Ja. Wir haben uns eine TV-Serie vorgestellt, und weil die Spielsitzungen auf tragbaren Konsolen oft kurz sind, wollten wir auch Kontraste einbringen und unterschiedliche Umgebungen zeigen. Ich wollte, dass die Spieler denken: "Oh nein, jetzt bin ich wieder hier drin!", wenn sie aus der freien Umgebung wieder ins Schiff versetzt werden.

Iwata:

Das ist ja auch ein dramatisches Element.

Nakanishi:

Ja. Ich denke, diese Wirkung kommt gut rüber.

Kawata:

Es ist wie ein TV-Drama aufgebaut, die Ereignisse finden also auch nicht alle in chronologischer Reihenfolge statt. Ich glaube, das ist auch eine Premiere bei "Resident Evil".

Iwata Asks
Nakanishi:

Oh, richtig. Die Autoren wollten spannende Elemente wie in einem TV-Drama umsetzen, um bei den Spielern ein verstörendes Gefühl auszulösen. Man denkt: "Hm? Was ist denn jetzt los?", und das Mysterium zieht einen wirklich in den Bann der Geschichte.

Suzuki:

Also, ich finde die Idee eines vollwertigen "Resident Evil"-Spiels, das man unterwegs dabei haben kann, äußerst ansprechend.

Nakanishi:

Hm? Aber wären Sie als Sound-Designer nicht zufriedener gewesen, wenn die Leute zuhause im Bett mit Kopfhörern spielen würden?

Suzuki:

Oh ... tja, die Leute können doch beides machen. (lacht)

Alle:

(lachen)

Hori:

Um noch einen anderen Punkt zu erwähnen: Es gibt ja zwei Bildschirme und wenn man den unteren Bildschirm berührt, verliert man als Spieler kurz den oberen Bildschirm aus den Augen. Beim Spielen sorgt das für wirklich spannende und gruselige Momente.

Iwata:

Ah, ich verstehe.

Hori:

Man scheut sich wirklich davor, den Blick abzuwenden. Ein Gegner könnte einen erwischen oder aus der Dunkelheit hervorspringen, während man gerade woanders hinschaut. Diese Elemente verstärken noch das Gefühl des Horrors.

Iwata Asks
Iwata:

Diese Struktur unterstützt auf jeden Fall die Furcht. Natürlich kann man alleine bei sich zuhause spielen, aber mit tragbaren Konsolen kann man den Zeitpunkt, den Ort und die Gelegenheit frei wählen, und ich denke, dass die Leute deshalb auch anders spielen werden. Was ist Ihre Meinung dazu?

Kawata:

Wenn die Konsole in den Standby-Modus versetzt wird, wird das Spiel pausiert. Da es ein Horrorspiel ist, haben wir überlegt, ob die Spieler das Spiel wirklich jederzeit anhalten können sollten, aber wir dachten, dass es bei einem tragbaren Spiel einfach nötig wäre. Und durch die Cliffhanger-Struktur der Handlung weiß man schneller, wo man beim letzten Mal aufgehört hat. Ich denke, dass das Spiel dadurch zugänglicher ist als die vorherigen "Resident Evil"-Spiele.

Nakanishi:

Bei der Hauptreihe ist das mittlerweile ja fast selbstverständlich, aber da dies ein Spiel für eine tragbare Konsole ist, will man auch mit anderen Leuten zusammenspielen, nicht wahr? Und so kamen wir auf den Raid-Modus.