Wenn man bei einer Serie wie „Tales“ – einer Serie, die viele glühende Fans hat – schlampige Arbeit abliefert, kann sich die Begeisterung der Fans gegen einen wenden. Wie haben Sie dies vermieden?
Alle Mitarbeiter versuchen ein Gespür dafür zu entwickeln, was die Fans nicht mögen. Aber damit kommt man natürlich nie zu 100% hinterher. Es ist also eine Herausforderung.
Es ist nicht immer die beste Methode, ausschließlich auf die Meinungen und Forderungen der Fans zu hören und sich ganz danach zu richten. Unsere Aufgabe ist es, die Fans zu überraschen – auf positive Weise. Daher können wir nicht einfach ihre Meinungen umsetzen. Wir müssen ihre Erwartungen „verraten“ und ihre unausgesprochenen Wünsche erfüllen. Sie sollen das Spiel zur Hand nehmen und sagen: „Ja, ja, ja! Das ist genau das, was ich wollte!“
Genau.
Allerdings ist das ein zweischneidiges Schwert. Damit geht man das Risiko ein, die Fans in ihren Erwartungen zu enttäuschen. Wenn man dagegen eine konservative Haltung einnimmt, entfällt die Innovation und das Spiel läuft sich tot. Wie sind Sie bei „Tales“ seit 15 Jahren damit umgegangen?
Wir sind uns der Meinungen und Ansichten der Fans bewusst. Aber ich glaube nicht, dass unsere Arbeit darin besteht, einfach nur die Wünsche der Fans umzusetzen. Man macht Videospiele nicht nach Mehrheitsbeschluss.
Und wir leben in erstaunlichen Zeiten, in denen die Stimme der Fans uns direkt über das Internet erreicht. Man erhält Lob, Tadel und Kritik. Und man erfährt, was die Spieler positiv überrascht hat. Aber obwohl es bei unserem Job darum geht, etwas zu erschaffen, das es so noch nicht gibt, macht man sich letztlich nur verrückt, wenn man zu stark auf diese Meinungen achtet.
Ja, sie können einen ablenken.
Die jüngeren Mitarbeiter sind dafür besonders anfällig. Ich glaube, unsere wichtigste Aufgabe im Hinblick auf „Tales“ ist es, die jüngeren Mitarbeiter, die allein die Wünsche der Kunden befriedigen wollen, darauf hinzuweisen, dass das allein die Spieler nicht überraschen wird.
Na ja, ich will hier nicht hochtrabend werden, aber ich sage immer, wenn man nicht sicher ist, was man tun soll, sollte man sich überlegen, was man selbst als Spieler bevorzugen würde. Ich will, dass sie für den Einzelnen arbeiten, nicht für die Masse. Wenn man zu sehr auf die Fans hört, lässt man sich umstimmen. Ich bin daher immer dafür, dass man das tut, was man selbst am besten findet.
Wenn ein Spiel mit erfreulichen Überraschungen aufwartet, müssen die Spieler einfach lächeln – auch wider Willen. Hochwertige Spiele schaffen das immer wieder. Wenn alles nur abläuft wie ein Uhrwerk, macht das keinen Spaß.
Stimmt. Ich will auf keinen Fall, dass der Spieler etwas von den Einschränkungen und Umständen der Entwicklerarbeit im fertigen Produkt spürt.
Aber auch wenn Sie glauben, dass Sie den richtigen Weg eingeschlagen haben, sind Sie jedes Mal versucht zu beten, wenn Ihr Produkt in den Handel geht, stimmt’s?
Allerdings. Es ist einfach schrecklich.
Ja, so ist das immer. Es ist nun mal ein Kampf gegen das Unbekannte. Man veröffentlicht etwas, über das man sich ewig den Kopf zerbrochen hat, aber man trifft nicht immer ins Schwarze – was einem die Reaktionen der Spieler dann zeigen. Aber wenn man einfach nur der Mehrheitsmeinung folgt, wird das Ergebnis vorhersehbar und langweilig.
Genau. Alle reden immer über Umfragen und Marketing – und diese Hilfsmittel kann man ja auch sinnvoll einsetzen –, aber diese Dinge allein reichen nicht aus, um etwas zu erschaffen. Man kann sie höchstens als Referenz verwenden. Wenn ein Spiel der „Tales“-Serie in den Handel kommt, treibe ich mich für gewöhnlich den ganzen Morgen in den Geschäften herum. Ich mache mir entsetzliche Sorgen, ob es sich auch wirklich gut verkauft. Und diese Panik hält an, bis ich Kunden sehe, die das Spiel tatsächlich kaufen.
Dann stehen Sie bestimmt da herum und haben das Gesicht in sorgenvolle Falten gelegt.
Allerdings! (lacht) Wir sind alle unruhig, daher ziehen wir alle zusammen los. Wir beobachten den Verkauf die ganze Zeit, und wenn dann einige Exemplare des Spiels verkauft wurden, fühlen wir uns besser. Wir kommen zurück und versichern uns erleichtert, dass es offenbar kein Ladenhüter werden wird. (lacht)
Es ist wichtig, auch mal die Gesichter der Kunden zu sehen, die die Spiele kaufen.
Da gibt es viele Jugendliche und auch jede Menge Mütter, die für ihre Kinder einkaufen.
Sie werden von den Kindern auf Mission geschickt.
Genau. Und Großväter, die ausgiebig die Beschreibungen auf der Verpackung studieren.
Wenn ich solche Kunden sehe, möchte ich vor Begeisterung immer am liebsten in die Hände klatschen.
Ja. Als ich in der Firma anfing, habe ich die Läden aufgesucht, in denen die Spiele vertrieben wurden. Ich wollte wissen, wie unsere Kunden aussehen und was sie beim Kauf eines Spiels denken. Zwanzig Jahre später bewege ich mich auf dem Weg, auf dem die Videospiele das Licht der Welt erblicken, immer weiter zurück – vom Verkauf zum Marketing und weiter zur Entwicklung!
Stimmt, da haben Sie recht!
Ich muss einfach das Gefühl haben, dass sich das Spiel wirklich verkauft. Das ist der eigentliche Startpunkt. Das erzähle ich auch oft den Entwicklern, aber diese brauchen deshalb nicht in den Laden zu marschieren und dort detaillierte Forschungen anzustellen. Man sollte mal hingehen, die Atmosphäre auf sich wirken lassen, sich ansehen, was verkauft wird und in welchen Mengen, wer die Kunden sind ... So etwas kann man prima beobachten.
Wenn z. B. eine Million Exemplare eines bestimmten Produkts verkauft werden, gibt es eine Million Gründe, dieses zu kaufen. Ich glaube, was man erstellt, ändert sich ausgehend davon, wie gut man sich diese Gründe vorstellen kann. Die Kunden in den Läden zu beobachten, ist dabei unwahrscheinlich hilfreich.
Da bin ich völlig Ihrer Meinung. Bei Büchern, CDs und Spielen entscheiden die Leute heutzutage oft allein nach der Verpackung, ob sie etwas kaufen oder nicht.
Ein Kunde nimmt beispielsweise eine Verpackungsattrappe auf, betrachtet die Rückseite – und legt sie wieder zurück. (lacht) Ich telegraphiere ihm stumm: „Nein, nicht zurücklegen, nicht zurücklegen!“ Aber es gibt einen Grund dafür, dass die Person so reagiert hat. Aus irgendeinem Grund hat das Spiel sie nicht in seinen Bann gezogen.
Auch das ist ein Kampf.
Ja. Ganz egal, wie toll der Inhalt sein mag - wenn man das nicht vermitteln kann, ist es vorbei. Es kommt ja häufig vor, dass sich ein Spiel beim Ausprobieren als unerwartet vergnüglich erweist. Die Mehrheit der Spiele macht Spaß, wenn man sie tatsächlich spielt. Andere Spiele sind die Minderheit. Aber Kunden sind sehr beschäftigt – wenn man den Spielspaß nicht gleich auf der Verpackung offensichtlich machen kann, werden die Kunden das Spiel nicht kaufen.
Man muss ihnen einen Grund für den Kauf bieten. Aber als Mitarbeiter des Entwicklerteams ist es nicht einfach, diesen zu erkennen.
Wenn einmal etwas wirklich Tolles gelungen ist, ebnet das den Weg für das nächste Mal. Das Wichtigste ist, dass das Spiel Spaß macht, aber man kann heute nicht einfach darauf warten, dass die Leute es irgendwann mal spielen.
Genau. So hat auch „Tales“ seinen Anfang genommen; ich habe also irgendwie das Gefühl, dass wir seit 15 Jahren versuchen herauszufinden, wie wir die Serie am Leben erhalten und weiterführen können. Ich überlege beispielsweise jedes Mal, was ich mit den sichtbaren Aspekten anstellen könnte – Charakterdesign, Grafik und Werbung –, um den Kunden das Gefühl zu geben, dass sie das Spiel unbedingt haben müssen.
Das ist weitaus mehr als einfach nur ein fertiges Produkt zu bewerben.
Ja. Wir müssen den Spielern eine klare Motivation geben, das Spiel zu kaufen.
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