Besuchten Sie dann die Disney-Büros, um dort an einem Meeting teilzunehmen?
Ja. Am Anfang sollten wir eigentlich nur eine Besprechung haben. Ich hatte keine Ahnung, worum es gehen würde, und wollte mir nur anhören, was man mir zu sagen hatte. Ich hatte jedoch schon eine grobe Vorstellung von dem Spiel, das mir vorschwebte.
Sind Sie der Typ, der schon visualisiert, was er vorhat, bevor er überhaupt mit der Arbeit beginnt?
Ja, so ein Typ bin ich. Ich hatte das Spiel tatsächlich schon in 3D visualisiert. Und als ich dann Disney besuchte, fing es an, Form anzunehmen. Natürlich hatten die Leute dort auch ihre ganz eigenen Ideen und fragten, ob wir verschiedene dieser Ideen aufnehmen wollten.
Ihre Ideen unterschieden sich natürlich von den Ihrigen ...
Ja. Sie schienen anzunehmen, dass wir auf all Ihre Wünsche eingehen würden, und äußerten daher ganz spezifische Anliegen wie etwa: „Wir möchten, dass dieser bestimmte Charakter im Spiel auftaucht.“ Sie erklärten uns ihre Ideen mit ziemlichem Eifer … Aber um ehrlich zu sein, interessierte mich keine einzige davon. (lacht)
(lachen)
Sie wollten sich die Disney-Charaktere ausleihen, um damit ein eigenes Spiel zu erstellen, das es mit Mario 64 aufnehmen konnte. Und Sie hatten schon eine Vorstellung davon, wie ein solches Spiel aussehen könnte. Ich nehme an, Disneys Ideen passten nicht zu dieser Vorstellung.
Nein, das taten sie nicht. Letztendlich habe ich dann eine Präsentation mittendrin abgebrochen. Wir hatten nicht so viel Zeit, und es sah danach aus, als ob auch die wenige Zeit von verschiedenen Disney-Produktionen in Anspruch genommen würde. Also unterbrach ich sie und sagte rundheraus, dass ich solche Spiele nicht mache.
Meine Güte! (lacht) Ich nehme an, sie waren ziemlich überrascht, so etwas zu hören?
Ja, natürlich waren sie überrascht. (lacht) Da ich aber nicht verstand, was sie da auf Englisch sagten, beschloss ich, mir nicht zu viele Gedanken zu machen, und erzählte ihnen von meiner ganz primitiven Idee von Kingdom Hearts: Brandneue Charaktere sollten eine Reise durch die Welt der Disney-Charaktere machen. Ich besuchte sie anschließend noch mehrmals. Bei unserer ersten Besprechung zeigte ich ihnen ein Design-Dokument, das ein Bild von Sora – der Hauptfigur des Spiels – enthielt. In meiner Zeichnung trug er eine Waffe, die wie eine gigantische Kettensäge aussah. Sie sagten: „Was zum Teufel ist das denn?”
(Gelächter)
Sie fragten sich wahrscheinlich, wie das wohl in der Disney-Welt wirken würde!
Sie waren völlig schockiert, dass es sich um eine Kettensäge handelte - vollkommen sprachlos! (lacht) Sie betrachteten das Design-Dokument und sagten wahrscheinlich: „Das ist ja schrecklich!“ und so weiter. Aber da sich das alles auf Englisch abspielte, verstand ich kein einziges Wort.
Ich denke, manchmal ist Unwissenheit ein Segen! (lacht)
Ja! (lacht) Bevor Sora der Charakter wurde, den wir heute haben, mussten wir ziemlich viel an ihm herumfeilen.
Doch der Charakter wurde dann schließlich von Disney akzeptiert? Der Charakter, der sie zunächst vollkommen sprachlos gemacht hatte?
Ja, sie akzeptierten ihn. Sie waren ziemlich großzügig.
Vielleicht suchten die Leute bei Disney nach neuen Ideen und Veränderungen. Letztlich sind ziemlich viele Leute wegen Kingdom Hearts zu Disney-Fans geworden. Die Tatsache, dass Sie in der Lage waren, Kingdom Hearts über zehn Jahre hinweg weiterzuentwickeln, muss doch auch Disney von der Wichtigkeit überzeugen!
Sie sagen immer wieder, dass Kingdom Hearts für sie von großer Wichtigkeit ist. Und darüber bin ich sehr froh.
Nun, als Sie mir von diesen Hintergründen erzählten, fragte ich mich selbst: „Kann so etwas wirklich passieren?“
Wirklich? (lacht)
Nun, zur Erstellung dieses Spiels mussten Sie viele schwierige Situationen meistern: Disneys Präsentation zu den Spielen, die diese gern machen wollten, deren Sprachlosigkeit, als Sie sich ihr Design-Dokument ansahen, und so weiter … Ich dachte: „Eigentlich hätten Sie dazu gar nicht in der Lage sein können. Wie haben sie das bloß hinbekommen?”
Das wird oft gesagt, aber zu dieser Zeit erschien mir das Ziel gar nicht unerreichbar.
Alles ist unmöglich, wenn wir es so einschätzen. Um ein Ziel zu erreichen, ist es oftmals nur notwendig, aufrichtig daran zu glauben und dieses bis zum Ende zu verfolgen.
Dieser Meinung bin ich auch. Ich sagte immer wieder: „Wenn wir das erreichen, wird es ganz großartig“ und „Wenn wir es nicht versuchen, sind wir selbst schuld!“ (lacht)
Das klingt so, als hätten Sie aus der Zusammenarbeit mit den Amerikanern etwas gelernt. (lacht) Aber wenn Sie bereits ein Bild von Ihrem Vorhaben vor Augen haben und einander nur so mit Ideen zuschütten, dann gelangen Sie irgendwann an einen Punkt, an dem die andere Partei Ihre Ideen akzeptiert.
Das glaube ich auch ... Zu dieser Zeit hatten wir mehrmals die Gelegenheit, mit dem Disney-Präsidenten persönlich zu sprechen. Er war uns gegenüber sehr großzügig. Selbst wenn die Leute um ihn herum mit etwas nicht einverstanden waren, sagte er, es sei okay, und ließ uns weitermachen.
Bei der Zusammenarbeit mit einer anderen Firma, tut es gut, dort einen Verbündeten mit einer gewissen Autorität zu haben, der einem mit Verständnis begegnet, nicht wahr?
Ja, da hatten wir ziemlich viel Glück.
Nun, zu diesem Zeitpunkt hatte Square schon lange Zeit RPGs gemacht. Gab es in Ihrer Organisation viele Leute, die bereits Erfahrung mit so einem actionorientierten Spiel wie diesem hatten?
Nein, da gab es kaum jemanden.
Ich habe inzwischen den Eindruck, dass der Prozess von Ihrer ursprünglichen Vorstellung bis hin zu einem zufriedenstellenden fertigen Artikel alles andere als geradlinig war. Liege ich da richtig?
Gleich zu Projektbeginn, als ich das Team zusammenstellte, wurde uns bewusst, dass sehr viele Mitglieder des Teams noch nie an einem Action-Spiel mitgearbeitet hatten. Also gab es da zweifellos einige düstere Momente.
Nun, Sie arbeiteten das erste Mal als Direktor, stellten Ihr Team zusammen, versuchten, Disney von Ihren Zielen zu überzeugen, und arbeiteten mit einem unbekannten Genre ... Diese zusätzlichen Hürden haben dieses Projekt wahrscheinlich drei- oder viermal schwieriger als gewöhnliche Projekte gemacht.
Ich denke, Sie haben recht. (lacht) Bei der Entwicklung gab es verschiedene Momente, an denen das Team in Panik geriet, unruhig wurde und sich nicht sicher war, ob das Spiel, an dem es arbeitete, ein Erfolg werden könnte.
Wenn man von Anfang an an einem Spiel beteiligt ist, kann man oft schwer beurteilen, ob ein Spiel wirklich Spaß macht oder nicht. Geht es Ihnen auch so?
Das stimmt. Ich ermutigte sie immer wieder, sich keine Sorgen zu machen, und bekräftigte, dass dieses Spiel mit Sicherheit Spaß bringen würde ...
Dann haben Sie immer ganz fest daran geglaubt, dass dies ein amüsantes Spiel werden und Sie Ihr Ziel am Ende erreichen würden?
Das habe ich.
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