Bestimmen Sie ganz alleine, in welche Richtung der jeweils nächste Titel der Serie gehen soll?
Nein, zunächst einmal sammle ich Ideen. Im Fall von „Tales of the Abyss“ wollten Mr. Higuchi6 – der Direktor – und ich einen Taugenichts, der die Welt und seine Gefährten rettet, aber dabei die ganze Zeit meckert, dass ihn das nervt und anstrengt. So in etwa wie in „Ikebukuro West Gate Park“.7 (lacht) 6Mr. Yoshito Higuchi: Mitarbeiter von Namco Bandai Games Inc. Leitender Direktor von Spielen wie „Tales of the Abyss“ und „Tales of Symphonia“. 7Ikebukuro West Gate Park: Eine Serie von Romanen des japanischen Autors Ira Ishida, deren Handlung sich um die Hauptfigur Makoto Majima dreht und in Ikebukuro, Tokio, spielt.
Ah, verstehe. (lacht)
Zu den Charakteren in „Tales of the Abyss“ gehören der Protagonist Luke und Asch – quasi zwei Seiten einer Münze. Die Welt dreht sich um die Beziehung zwischen diesen beiden. Zwei oder drei von uns bestimmen die Grundlagen für das, was wir den Spielern über die Handlung und die Charaktere vermitteln wollen.
Wahrscheinlich würden mehr Köche den Brei auch nur verderben. Und nachdem diese Kernelemente festgelegt sind, verteilen Sie dann die Aufgaben ...
Genau. Aber auch danach sammeln wir noch Ideen. Wenn der Skript-Autor beispielsweise einen bestimmten Typ von Charakter vorschlägt, überlegen wir, ob wir in diese Richtung weitermachen, und bauen das Ganze weiter aus.
Diejenigen, die ursprünglich die Kernelemente des Spiels festgelegt haben, wählen aus den neuen Vorschlägen aus.
Ja. Die Grundlagen müssen fest und sicher stehen. Sonst wird die Handlung unzusammenhängend, wenn das Spiel beginnt, sich in alle Richtungen auszudehnen. Ich wollte sicherstellen, dass alles miteinander verbunden und in sich geschlossen ist, damit die Spieler nicht völlig verwirrt werden.
Wie schaffen Sie es, dem jeweiligen Spiel das Wesen der Serie einzuhauchen?
Hmm, schwer zu sagen.
Ich glaube, jede lange Serie verfügt über ein Wesen, eine Essenz, wenn Sie so wollen. Ohne diese hätte die Serie nichts Einzigartiges, das sie über Jahre trägt. Worin besteht Ihrer Meinung nach dieses Wesen der „Tales“-Serie? Waren dieselben Leute an der Entwicklung von „Tales" beteiligt, sodass auf natürliche Weise immer wieder etwas mit der typischen „Tales-Würze“ dabei herauskommt?
Ja, aber unsere Art und Weise der Spielerstellung ist seit Langem unverändert. Selbst wenn die Mitarbeiter wechseln, werden bestimmte Schlüsselelemente weitergegeben. Im Moment spielt Mr. Baba8, der „Tales of Graces“9 gemacht hat, oft eine zentrale Rolle bei der Entwicklung. Zunächst wirkten seine Ergebnisse irgendwie verkehrt, aber jetzt hat es genau die Atmosphäre, die ein „Tales“-Spiel haben sollte. 8Mr. Hideo Baba: Produzent von „Tales of Graces“. 9Tales of Graces: Ein „RPG zum Erkennen der Beschützerstärke“, das im Dezember 2009 in Japan für die Wii-Konsole erschien.
Er hat sich daran gewöhnt und sich angepasst.
Anscheinend. Mir ist auch nicht klar, wie das funktioniert ... Das lässt sich schlecht in Worte fassen.
Nach 15 Jahren sind die frühen „Tales“-Fans auf dem Arbeitsmarkt angekommen, aber ich habe den Eindruck, dass das, was die Fans schätzen, nicht unbedingt das ist, was den Entwicklern wichtig ist.
Das stimmt.
Wenn die Fans ins Boot kommen, tritt in der Entwicklung ein Phänomen auf, das ganz ähnlich ist wie das, was geschieht, wenn die Stimme des Markts das Spiel vom Weg abbringt. Wie gehen Sie damit um?
Ich sage einfach: „Nein“.
(lacht)
In letzter Zeit sind viele Mitarbeiterinnen zum „Tales“-Studio gestoßen, weil sie die „Tales“-Serie – oder RPGs im Allgemeinen – mögen.
Wie sieht denn die prozentuale Aufteilung der männlichen und weiblichen „Tales“-Spieler aus?
Umfragen haben ergeben dass ca. 70% der Spieler männlich und 30% weiblich sind. Aber bei Veranstaltungen und beim Fanartikelverkauf sind fast 95% der Beteiligten Frauen.
Sagten Sie gerade 95%?
Ja. (lacht)
Ungefähr 70% der „Tales“-Spieler sind männlich, aber 95% der Fans, die Veranstaltungen besuchen – auf denen die Sprecher der Stimmen auftreten – und Fanartikel kaufen, sind weiblich? Das ist ja wie ein komplett anderer Markt! (lacht)
Ja. Das ist wirklich überraschend. Viele Frauen, die zum Team stoßen, kennen und lieben die Serie aus ähnlichen Gründen wie die Fans.
Dann kommen sie sicher mit einer sehr starken Begeisterung und vielen guten Vorsätzen.
Aber wenn sie dann sagen: „Wir sollten dies und das tun“, muss ich oft einschreiten. Besonders wenn sie die Dinge zu stark aus der Perspektive eines Fans sehen.
Damit kommen wir auf das zurück, was wir bereits besprochen haben. Wenn eine Serie sich entwickelt, kann man nicht einfach den Wünschen der Fans entsprechen. Es ist wichtig, den Fans auch etwas zu bieten, das sie nie erwartet hätten, und dabei das Wesen der Serie zu erhalten.
Genau. Ich finde es schrecklich, dass man sich kaum noch von den Anforderungen der Fans lösen kann, wenn man sich zu viele Meinungen anhört. Man traut sich dann kaum noch, etwas Gewagtes auszuprobieren. Ich möchte immer den Mumm haben, die Erwartungen der Fans – auf gute Weise – zu verraten.
Ein Verrat, der die Fans glücklich macht!
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